TYP 3

History
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Das größte Automobilwerk Europas verdankt seinen Aufstieg einem Autotyp. Der erstaunliche Erfolg des Käfers war ein gewichtiges Argument gegen all jene Stimmen, die eine Modernisierung und Ausweitung des Programms gefordert hatten. Das Erfolgsrezept blieb, nachdem es einmal gefunden war, ungeachtet des immensen Risikos, das damit heraufbeschworen wurde. Noch 1960 gab es bei VW nur ein einziges Modell zu kaufen: eine Konstruktion aus der Vorkriegszeit, nämlich "der" Volkswagen, der noch nicht Käfer hieß.

Mit zunehmendem Wohlstand aber waren die Ansprüche gestiegen, und ein Teil der Kundschaft, der der Käfer zu eng, klein und langsam geworden war, wechselte zu anderen Fabrikaten über. Verständlicherweise wollte man dem in Wolfsburg nicht tatenlos zusehen.

Etwa Mitte der Fünfziger Jahre entstanden im VW-Werk ein paar Prototypen, die aber keine großen Chancen hatten, den Käfer abzulösen. Die Verkaufszahlen überschlugen sich, und jedes Jahr feierte der Urtyp des Volkswagens neue Rekorde. Erst am Ende des Jahrzehnts wurden ernsthafte Projekte in Angriff genommen:

In den Jahren 1958 bis 1961 versuchte sich die Entwicklungsabteilung von Porsche im Auftrag von VW an einem unschön aussehenden Vehikel mit 1,4 Liter-Motor. Das klobige Auto, von dem eine Stufen- und eine Fließheck-Limousine gebaut wurden, lief bei VW unter der Nummer EA 53 (EA = Entwicklungsauftrag) und bei Porsche als EA 724, 726,728.

Eine weitere Studie, ebenfalls unter der Bezeichnung EA 53, mit Motoren von 0,9 bis 1,1 Liter Hubraum, entstand ebenfalls bei Porsche. Versuche mit selbsttragender Karosserie wurden hier zwar forciert, brachten aber für orthodoxe VW-Ingenieure nicht das gewünschte Ergebnis. Dieses pfiffig aussehende Auto mit sportwagenähnlichem Heck sieht dem späteren VW 1500 nun freilich sehr ähnlich, vor allem an der Front- und Seitenpartie. Seine Entwicklung wurde parallel mit dem EA 97 betrieben, und gewissermaßen wurden bestimmte Stilelemente von beiden Prototypen beim späteren Serienmodell kombiniert.

Der Entwicklungsauftrag 97/1 war ein vergrößerter Käfer mit Stilelementen der Protonform. Dieses originelle Gefährt war nicht ohne Reiz. Die Form war stilistisch gelungen, aber schon seinerzeit passe. Buckelautos waren Ende der Fünfziger Jahre aus der Mode geraten (Ford Taunus, Borgward 2400), wenngleich noch einige gebaut wurden (Volvo, Saab, VW 1200). Dennoch war der EA 97/1 recht ansprechend, vielleicht wegen seiner Käferschale und weil ein VW keiner Mode unterworfen war. Und auffallend ist, daß einzelne Stilmerkmale später wieder auftauchen, z.B. werden die Panoramascheibe, die A-Säule und der Windlauf des EA 97/1 beim VW 1303 ähnlich übernommen.

Moderner sah ohne Zweifel der EA 97 aus. Die reine Pontonkarosserie ließ jede Verwandtschaft mit dem Käfer vermissen. Größer und erwachsener als der Ur-VW war er eher zur Abrundung des Programms nach oben gedacht. Deshalb wurde ihm auch alsbald ein stärkerer Motor mit 1,5 Liter Hubraum spendiert. Aber gut, daß der erste Mittelklasse-VW in dieser dürftigen Gestalt nicht erschien! Die biedere Form läßt an ein Ostblock-Auto denken. Die allzu langweiligen Front- und Heckpartien wurden denn auch gründlich überarbeitet, und dabei wurden Stilelemente des EA 97/1 übernommen: die vorderen Kotflügel und die kräftigeren Stoßstangen. Der mittlere Teil des Aufbaus wurde etwas mehr gestreckt, der Variant bekam drei Fenster. Auch in der Armaturenbrettgestaltung weicht der VW 1500 ganz vom EA 97 ab.

Ganz gestorben ist der EA 97 indessen nicht. Seine Produktionswerkzeuge wurden nach Übersee verschifft, wo sie freilich erst nach abenteuerlichen Umwegen anlangten, weil das Schiff im Ärmelkanal versank. Mit zehnjähriger Verspätung wurde die Fertigung dieses VW-Mittelklassewagens 1969 in Brasilien mit einigen Modifikationen (z.B. Rechteckscheinwerfer) aufgenommen. Produziert wurde er bis 1982 als "VW Brasilia", ab 1974 auch in Mexiko.


PRODUKTIONSZAHLEN:

1959 1
1960 12
1961 10.663
1962 127.324
1963 181.809
1964 262.020
1965 261.915
1966 311.692
1967 201.772
1968 244.427
1969 267.358
1970 272.031
1971 234.224
1972 157.543
1973 55.189
Gesamtstückzahl 2,587.980

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